Der Kampf der SME geht weiter

„nos vieron nacer

pero no nos veran morir“

 

Am 10. Oktober 2009 erwachten die Arbeiter des mexikanischen Elektrizitäts-unternehmens Luz y Fuerza (Strom und Kraft) mit der traurigen Nachricht, dass die 1914 gegründete Mexikanische Gewerkschaft für Stromarbeiter (Sindicato Mexicano de Electricistas SME) per Dekret nicht mehr existiere. 

 

Luz y Fuerza und die SME

Die Geschichte der SME-Gewerkschaft geht auf die Regierungszeit von Porfirio Díaz (1830-1915) zurück. Der General Díaz, der von 1888 bis 1910 Mexiko regierte, vergab 1868 zu ersten Mal dem kanadischen Stromanbieter The Mexican Light & Power Company auch MEXLIGHT genannt, die Bewilligung Strom im Land zu generieren und zu verkaufen

Da den Bedarf in der schon damals schnell wachsende Mexiko - Stadt sehr groß war, bekam die MEXLIGHT weitere Lizenzen, um Strom aus den Flüssen aus den Bundesländer Estado de México, Puebla, Hidalgo und Michoacan u.a. zu generieren. 

Die Arbeitsbedingungen innerhalb der „MEXLIGHT“ waren für ausländische und für mexikanische Arbeiter unterschiedlich: die mexikanische Arbeiter verdienten weniger als ihrer ausländischen Kollegen und sie erledigten die gefährliche Arbeit. Die mexikanischen Arbeiter beeinflusst von der politischen Lage des Landes – Mexikanische Revolution 1910- organisierten sich und gründeten zuerst die Liga Mexicana de Electricistas (Mexikanische Verband von Stromarbeiter) diese wurde 1914 in der Sindicato Mexicano de Electricistas SME (Mexikanischer Gewerkschaft für Stromarbeiter) umgewandelt. 

Als anerkannte Gewerkschaft verteidigte die SME die Rechte der Arbeiter, diese erreichten u.a. einen Lohn gleich als den von ihren ausländischen Kollegen sowie eine Krankenversicherung für sie und ihren Familien und eine Arbeitszeit von 40 Stunden Wöchentlich. Leistungen, die noch heute in Mexiko nicht selbstverständlich sind. 

1949 unter den Präsident Miguel Alemán (1900 - 1983) wurde die Comisión Federal de Electricidad (kurz CFE) gegründet. Sie ist bis heute ein staatliches Energieunternehmen und zusammen mit Luz y Fuerza ist einer der wichtigsten Energieanbieter des Landes.

 

CFE ist nicht gleich Luz y Fuerza

Luz y Fuerza wurde 1960 unter die Regierung von López Mateos von der mexikanischen Staat teilweise gekauft: der Staat kaufte für 52 Millionen Dollars 90% des Unternehmens, weitere 10% gehörte den privaten Investoren. Diese Struktur wurde bis seiner Auslösung 2009 behalten. 

Das Unternehmen Luz y Fuerza und damit die SME- Gewerkschaft sind mehrmals auf probe gestellt worden. 1974 unter der Regierung von Luis Echeverría wurde ähnlich wie heute, die Auslösung des Unternehmen und der SME verordnet. Diese Maßnahme wurde aber durch den Widerstand der SME rückgängig gemacht. Später unter der Regierung von Miguel de la Madrid Hurtado (von 1982 bis 1988) wurde 50% der an Luz y Fuerza zur Verfügung gestellte Gebiet um die Energie zu erzeugen an CFE abgegeben. Diese Entscheidung bedeutete für Luz y Fuerza eine Reduzierung seiner Entsorgungskapazität. Dennoch schaffte Luz y Fuerza mit den Jahren und trotz immer weniger staatlichen Subventionen großen Teil des Landes mit Strom effizient zu versorgen.

Laut eines internen Berichts (März 2010) der SME plante Luz y Fuerza kurz vor seiner Auflösung in der Technologie der Glasfaser zu investieren. Diese Investition hätte dem Unternehmen auf der Spitze gestellt, denn damit wäre die Nutzung der „triple play“ (Übertragung von Bilder, Ton und Internet) vorangetrieben.

Die folgenden mexikanischen Präsidenten: Carlos Salinas de Gortari, Vicente Fox und den heutigen Felipe Calderón verfolgten eine neoliberale Politik, die die Privatisierung von Dienstleitungen wie Wasser und Strom bevorzugt. 

Innerhalb dieser Politik ist eine starke Gewerkschaft wie die SME ein Hindernis, um ausländische Investoren ins Land zu bringen.

 

SME vor der Auslösung 

Im Juli 2009, fanden die SME-Gewerkschaftswahlen statt. Zwei Gewerkschaftsführer kandidierten für die Führung: Martin Esparza und Alejandro Muñoz. Esparza gewannt die Wahlen aber sein Gegner Muñoz warft Esparza Stimmenmanipulation vor. Die gleichen Vorwürfe kamen von der Seite des Präsidenten Calderón, der September 2009 die Wahlergebnisse als ungültig erklärte. Die SME Mitglieder an Seite von Esparza reagierten mit zahlreichen Demonstrationen und Protesten. Alejandro Muñoz verschwand aus der Szene und letztendlich bekam Esparza die Annerkennung aller Arbeiter und damit aller SME Mitglieder.

Anfang September 2009 veröffentlichte die mexikanische Regierung unter Präsident Felipe Calderón scharfe Kritiken an der mexikanischen Gewerkschaft SME, über fehlende Effizienz und über finanzielle Probleme des Unternehmens Luz y Fuerza. Darin wurde die Gewerkschaft direkt für diese ökonomischen Probleme verantwortlich gemacht. Diese Behauptung ist auf zwei Gründen unsinnig:

1. Das Unternehmen Luz y Fuerza ist ein Gemeinschaftsunternehmen, daher sind sowohl die Privaten Investoren (mit 10% der Aktien) als auch der Staat (mit 90% der Aktien) der durch den Energieminister vertreten ist, für das gut Funktionieren des Unternehmens verantwortlich. Keine der Mitglieder der Geschäftsführung trat bis heute in der Öffentlichkeit, um sich über die Lage des Unternehmens zu äußern. 

Die Arbeiter und damit die Gewerkschaft kann für die angebliche schlechte Finanzielle Lage nicht verantwortlich gemacht werden.

2. Der heutige Präsident Felipe Calderón war unter die Regierung von Vicente Fox (2000 - 2006) Energieminister. Calderón hatte damals von der gut bezahlten Stelle sowie den profitabel Geschäften profitiert. Diese ganze Reihe von Unregelmäßigkeiten hat die SME immer wieder vorgelegt. Warum hat Calderón damals, als Energieminister nicht über die angebliche schlechte finanzielle Lage von Luz y Fuerza informiert?

 

Auflösung von Luz y Fuerza und Entmachtung der Gewerkschaft SME per Präsidialdekret

Am 10 Oktober 2009 bekundete der Präsident Calderón in den Medien die endgültige Auflösung des Unternehmens Luz y Fuerza und der Gewerkschaft SME. Die Begründung war die gleiche wie Monate zuvor: Mängel an Effizienz und finanzielle Probleme bei Luz y Fuerza, für die er die Gewerkschaft verantwortlich machte. 

Die Regierung bot den SME Mitgliedern sofortige Abfindungen und Weiterbildungskurse an. Die Abfindungen waren gesetzwidrig, dabei sie die völlige Arbeitsjahren nicht berücksichtig wurden. Die Weiterbildungskurse gingen in Richtung Selbstständigkeit oder EDV Grundkenntnisse, diese waren für qualifizierte Elektriker wenig versprechen, dennoch haben 26.000 SME Mitglieder die Abfindung angenommen. 18.000 Mitglieder kämpfen weiter um ihre Rechte sie versuchen Schützt in den §1, §14, §16, §17, §123 und §133 Artikel der mexikanischen Verfassung zu finden und auf diese Weise das Präsidialdekret Rückgängig zu machen, ihre Arbeitsplätze wieder zu bekommen. Die SME Mitglieder haben Anklage gegen diesen Akt erhoben. Der Prozess läuft.

 

Die augenblickliche Situation

Die aktuelle Lage der SME ist kritisch: die Mehrheit der Arbeiter haben die Abfindung angenommen, obwohl sie letztendlich weniger ausgezahlt bekamen als versprochen. Die restlichen 18.000 SME Mitglieder protestieren und werden durch Einschüchterungen durch die Polizei bedroht. Es wurden mehre Nationale Streiken organisiert, zahlreiche NGOs, Universitäten (UNAM und UAM), sowie Kooperativen wie die von TRADOC (damalige Arbeiter der Reifenfabrik EUZKADI) und die Arbeiter der Kooperativ Getränkefabrik BOING solidarisieren sich mit SME. 

Die Reaktion der Regierung darauf ist massive Bundespolizisten und Wasserwerfer zu den SME Protestaktionen zu schicken. 

Gleichlaufend die SME Mitglieder verteilen Informationen unter die Bevölkerung um der die Diskreditierung in den Medien zu entgegen zu wirken. Diese Maßnahme ist begleitet mit der Möglichkeit, die die Bevölkerung hat, der Strom nicht zu bezahlen, ohne sich strafbar zu machen. 

Zugleich ist eine Aktion für alle Bürger gestartet, die Stromrechnung nicht zu bezahlen, um sich mit dem SME zu solidarisieren.

Am 4 Mai 2010 begannen 10 MitgliederInnen der SME vor dem ONU–Gebäude in Mexiko Stadt zu Fasten als Protestaktion und als Solidarität mit seinen Kollegen, die nach 90 Tagen und unter sehr kritischen Gesundheitszustand den Hungerstreik beendeten. 

Die Führung der SME ist nach USA geflogen, wo sie bei der Interamerikanischen Kommission für Menschenrechte auf Grund von zahlreicher Einschüchterungen und Drohungen von der Bundespolizei und von den Militärs gegen SME-Mitglieder Anklage eingereicht hat.

Darüber hinaus gibt es Gespräche mit der AFL-CIO (American Federation of Labor and Congres of Industrial Organisations), mit Jobs with Justice, und mit Global Justice Alliance.

Dezember 2011 bildeten SME-Mitglieder und Sympathisanten eine Menschenkette in einer der Hauptstraßen von Mexiko-Stadt, um Druck auf die mexikanische Regierung zu machen. 

Seit September 2011 sind am Verhandlungstisch Regierungsvertreter und SME-Führung, um eine Lösung für den Konflikt zu finden. Die Forderungen der SME sind nach wie vor:

1. Forderung nach Wiedereinstellung in das bisherige Arbeitsverhältnis.

2. Forderung nach einer juristischern Aufarbeitung des Präsidialdekrets, mit einer damit verbunden Rücknahme dieses Beschlusses.