Vivex feiert dreijähriges Jubiläum seiner Verstaatlichung
Seit einem Jahr produziert die Autoscheibenfabrik im Osten Venezuelas und beliefert mehr als 60 Werkstätten im gesamten Land.
Die vor drei Jahren verstaatlichte und unter Arbeiterkontrolle geführte Fabrik Vivex in Barcelona - nicht in Katalonien, sondern im Osten Venezuelas - ist mittlerweile unabhängig von staatlichen Zuwendungen. So berichtet Jean Carlos Sabino, einer der Vorsitzenden der neu gewählten junta directiva und einer der Köpfe der Besetzung vor sechs Jahren, dass die Primärmaterialien mittlerweile mit eigenen Mitteln aus Mexiko importiert werden und das seit dem ersten Kredit über 46 Millionen Bolivares Fuertes (rund 5,4 Millionen Euro) vor drei Jahren keine weiteren staatlichen Geldzuwendungen notwendig waren. „Wir zeigen, dass die sozialistischen Fabriken funktionieren können und vor Allem in der aktuellen Situation des Landes ist es wichtig zu zeigen, dass wir produktiv sind!" unterstreicht Luís Hernandez.
Die 143 angestellten ArbeiterInnen produzieren im Durchschnitt 200 Windschutzscheiben und bis zu 700 Fenster täglich und haben Abnehmer im gesamten Land. Bisher produzieren sie jedoch nur für Werkstätten, man sei aber dabei Verträge mit verschieden Autofabriken abzuschließen. Unter anderem sollen in Zukunft das venezolanisch-chinesische Unternehmen Chery und Venirauto (Venezuela/Iran) sowie einige private Produzenten beliefert werden. "Wir stellen Autoscheiben von höchster Qualität her und sind im Prozess alle nationalen und die internationale ISO-9000 Norm bescheinigt zu bekommen. Der Name Vivex stand einmal für beste Qualität und das möchten wir wieder erreichen.", sagt Paulo Cumana ein Sprecher des Arbeiterrates.
Die ArbeiterInnen der Fabrik sind zum Großteil aus der ehemaligen Belegschaft und sehen große Verbesserungen in den Arbeitsbedingungen sowie der Entlohnung. "Man kann sagen, dass eigentlich alles 100% besser ist!", freut sich Elías Gonzalez der im Auslieferungsbereich arbeitet und fügt hinzu: „Es würde mich freuen, wenn all die Leute die zur Fabrik kamen während sie still stand heute sehen würden was daraus geworden ist.“. Der Lohn liegt zwischen 4600BsF (rund 540 €) und 8500BsF (1000 €) hinzu kommen verschiedene Bonuszahlungen wie z.B. ein monatlicher Transportbonus (1200BsF monatlich), Lebensmittelmarken (1900 BsF monatlich) bezahlter Urlaub, Kinderbonus und weitere. Die Fabrik hat einen eigenen Krankenwagen und eine Krankenstation.
"Das Arbeitsklima ist auch viel besser als früher denn jetzt haben wir keine Peitsche mehr im Rücken und haben viel mehr Freiheiten. Das bedeutet natürlich auch mehr Verantwortung aber hier nutzt niemand seine Freiheit aus. Ganz im Gegenteil alle sind sehr diszipliniert.", berichtet Eumeli Blanco. „Ronald hat heute zum Beispiel schon am Vormittag keine Arbeit mehr, da gestern ein Ofen ausgefallen ist, hilft dafür aber beim Zuschnitt der Scheiben.“
"Wir produzieren zur Zeit bei etwa 50%, denn jede Menge Maschinen sind sehr alt und kaputt. Der ehemalige Besitzer hat in 47 Jahren Produktion fast gar nichts investiert, um die Maschinen zu erneuern. Wir hoffen aber nach und nach alles zu reparieren und modernere Maschinen kaufen zu können.", erklärt Sabino. So hat z.B. vor drei Monaten ein Team finnländischer Techniker einen Ofen repariert, der seit Jahren kaputt war und noch vom ehemaligen Besitzer von der finnischen Firma gekauft worden ist. Am dringlichsten sei es jetzt, mindestens einen weiteren Gabelstapler zu erwerben und einen Zulieferer für Holzkisten zu finden in denen die Scheiben transportiert werden können. "Natürlich haben wir Probleme und wir sind nicht perfekt aber wir sind stolz auf das, was wir erreicht haben.".
„Ich denke unser Erfolg im Vergleich zu anderen verstaatlichten Fabriken beruht darauf, dass wir wirklich unter control obrero (Arbeiterkontrolle) produzieren. Wenn uns z.B. ein Mitglied der junta directiva nicht passt, dann wählen wir ihn ab!“ meint Gonzalez. So hatte der Arbeiterrat sich nach einiger Zeit gegen den ersten vom Ministerium benannten Fabrikverwalter ausgesprochen und wenig später ist er ersetzt worden. „Wir können als Beispiel dienen für die vielen anderen Arbeiter des Landes, die sich in ähnlichen Kämpfen befinden.“
Vivex steht in engem Kontakt zu den umliegenden consejos comunales (Gemeinderäte) und Kommunen. In mehreren freiwilligen Arbeitseinsätzen hat die Belegschaft z.B. Schulen repariert oder Gemeindehäuser mit Fensterscheiben unterstützt. Der Verantwortliche für den Kontakt mit den Kommunen nimmt an den wöchentlichen Versammlungen teil und es ist geplant in dem Gebäude einer alten Schule mit Unterstützung der Mision Saber y Trabajo (Ausbildungsmission) eine Autowerkstatt aufzubauen, die von der Kommune betrieben und von Vivex beliefert werden soll. Eines der Ziele ist es, die Scheiben direkt an den Verbraucher zu liefern, ohne unnötige Zwischenhändler die den Preis hochtreiben. Das Projekt mit der Kommune ist ein erster Schritt dahin.
Die Belegschaft von Vivex hatte am im November 2008 die Fabrik besetzt, nachdem der Besitzer angekündigt hatte keine weiteren Löhne zu zahlen. Nach dreijähriger Besetzung, mehreren gewalttätigen Auseinandersetzungen mit korrupten Sicherheitskräften und der Verteidigung der Fabrik gegen Versuche des Besitzers die Maschinen abzutransportieren, ist Vivex am 31. Mai 2011 verstaatlicht worden. Während der Besetzung wurden am 29. Januar 2009 zwei Arbeiter von bestochenen Polizisten während einer Demonstration vor der Fabrik erschossen.